Mittwoch, 7. Mai 2008

01./06.05.2008 – Abschied von Andalusien – Grenzcamp – Portugal – Extremadura.

... wir haben dann noch 1,5 entspannte Tage am Ufer des Sees verbracht. Die zwei Höhlenmenschen mitsamt Hund stießen wieder zu uns, ein Berg voll Wäsche wurde am Ufer gewaschen und getrocknet und ein zeitweise ortsansässiges Journalistenpärchen gesellte sich für kurze Zeit zu uns, wollte wissen, wie wir so leben, bestaunte unser High-Tech-Hippie-Dasein und versorgte uns mit Hintergrundinfos über Land und Leute sowie mit Tipps, wie wir unser weiteres Vorgehen (Reiseberichte schreiben und an den Mann bringen) angehen könnten. Wir erlebten einen Markttag in Ardales, auf dem sich Jung und Alt zwischen den wenigen Ständen und in der Kneipe neben dem Supermarkt traf, deckten uns mit Gemüse, Erdbeeren und Schokokuchen ein (schließlich feierten wir Richards 34. Geburtstag) und zogen letztendlich am Samstag, den 26.04.2008 in Richtung Ronda weiter. Zuvor besuchte uns (die wir unsere Wäsche noch an Leinen gespannt im Wind flattern ließen) noch die Guardia Civil und informierte uns, dass Camping hier nicht erlaubt sei. Wir beteuerten daraufhin, keineswegs hier campen zu wollen, denn wir waren ja eh kurz vor der Abreise. Müll haben wir natürlich auch nicht hinterlassen (schließlich bunkerten wir hinterm Bus einen randvoll gefüllten Sack mit Plastik, den wir zuvor aus dem See gefischt hatten und den wir beim Verlassen des Sees im Müllcontainer abgeladen haben).
Kurz vor Ronda suchten und fanden wir einen weiteren schönen Schlafplatz: Neben einem kleinen Wasserlauf, an dessen Ufern am nächsten Morgen wieder einmal Schafe und Ziegen weideten, parkten wir unsere Busse für die Nacht. Hundsgemeine Disteln verwehrten uns zwar große Teile des Geländes, und doch mäanderten wir des Nachts durch unseren „Garten“, in dem Hunderte von kleinen Männchen sich in kleinen Erdlöchern verschanzt hatten und volles Rohr in ihre Trillerpfeifen trillerten: so laute Heuschrecken hatten wir alle zuvor noch nie gehört. Richard experimentierte mit „GarageBand“, sein MacBook leuchtete mitten in der Prärie auf und hielt Grillenzirpen und lautstarkes Froschgequake, nebst dem „MockingBird“, der uns seit langer Zeit schon verfolgt, für die Nachwelt fest. Schon nach wenigen Minuten in unserem neuen zu Hause kam die Pinzette zum Einsatz um Distelnadeln aus unseren Fußsohlen zu entfernen und am Ufer des kleinen Baches, direkt neben unserem Lagerplatz, legen Martin und Kerstin eine natursteinerne und flusslaufgeformte Badewanne frei, die am nächsten Morgen zum Waschen und Geschirrspülen einlud: so machte Hausarbeit (wie zuvor schon das Wäschewaschen im See bei Ardales) wieder mal richtig Spaß.
Von diesem Platz aus führte uns unser weiterer Weg dann teilweise die im „1000 Places to See before You Die“ beschriebene Straße von Ronda nach Arcos de la Frontera entlang, die, gesäumt von Korkeichen und Felswänden, auch wirklich sehr schön anzusehen war. Unterhalb von der „Lederstadt“ Ubrique“ landeten wir Sonntags abends dann an einem Stausee, dessen Ufer wieder bewachsen von Disteln und stark frequentiert war von Kühen sowie lustigen spanischen Wochenendausflüglern, die ihre Musik laut aufdrehten um dazu mitzutrommeln und auf ihren Mopeds oder auch auf ihren Autodächern liegend eine Runde über den trockenen Teil des Stausees zu drehen. Überhaupt, so haben wir festgestellt, sind die Spanier große Freunde des Motorcross-Sports und selbst kleine Knirpse heizen hier auf Mini-Mopeds durch die Gegend.
Montags gings dann weiter nach Arcos, einer vor rund 1000 Jahren gegründeten Stadt mit ultra-schmalen Gassen, in deren Hauseingänge wir uns bei Spazieren reinquetschten, jedes Mal wenn ein Auto sich dort durch zu schlängeln wagte. Ole und ich dinierten vortrefflich für 7€ in einem kleinen Restaurant und gegen Abend steuerten wir Zottels (ohne den blauen Bären) einen Schlafplatz in der Nähe an. Zwischen Arcos und der nächsten größeren Ortschaft nächtigten wir an einem kleinen Stausee, lauschten in der Dunkelheit dem Treiben einer oder mehrerer Ratten am Ufer des Baches und beschlossen darum, all das, was mir normalerweise über Nacht draußen lassen würden (Kocher, Milchtopf usw.) lieber reinzuräumen....
Da wir alle noch einen Abstecher an die Atlantikküste Andalusiens machen wollten, bestand tags darauf Martins und Kerstins Mission dann darin, eine Fähre über den Guadalquivir ausfindig zu machen. Die in ihre Karte eingezeichnete Fährverbindung bestand allerdings anscheinend schon seit den 60er Jahren nicht mehr. Uns Zottels dauerte es zu lange, auf genauere Koordinaten zu warten und so nahmen wir statt dessen einen Umweg über Sevilla in Kauf (ohne in die Stadt hineinzufahren). Sowohl Landschaft als auch die Atmosphäre im südwestlichen Zipfel Andalusiens war eine völlig andere als wir es bislang erlebt hatten. Das recht platte Land erinnerte mehr an Holland als an die Bergwelt, durch die wir in den vergangenen Wochen gereist sind. In Plastikplanengewächshäusern, die wir schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen hatten, werden hier vornehmlich Erdbeeren angebaut. Frauen afrikanischen und arabischen Ursprungs warteten am Rande der wie mit dem Lineal gezogenen Straßen darauf, vom Erdbeerpflücken abgeholt zu werden. Da der Park Natural de Doñana eingezäunt und die Tore von der Guardia bewacht waren, nahmen wir zwecks Schlafplatzsuche ausnahmsweise unseren Reiseführer zu Hilfe und landeten auf einem Picknickplatz in einem Kiefernwäldchen, der allerdings relativ abgeranzt war. Während in „Mit dem Wohnmobil nach Südspanien“ öfters die Formulierung „Platz ist nachts sehr einsam“ zu finden ist, war uns dieser Ort eindeutig zu stark besucht. Die Shisha rauchenden Jungs oder die grillenden Mädels störten uns natürlich weniger, aber sobald die Dunkelheit eintrat, wussten wir nicht wirklich, ob es sich bei den Insassen der paar Autos, die später auf den Platz fuhren, nur um parkende Pärchen, oder um randalierende Halbstarke handeln würde. Die auf das völlig zerstörte Klohäuschen gesprayten Hakenkreuze schienen jedenfalls wenig vertrauenserweckend, und so machten wir schon abends unsere Karre komplett startklar, um im Notfall vom Bett auf den Fahrersitz springen und mit quietschenden Reifen abhauen zu können. Diesen unseren Fluchtplan mussten wir jedoch glücklicherweise nicht in die Tat umsetzen und so machten wir am nächsten Morgen einen kleinen Abstecher nach Almonte, ein mittelgroßes und ganz nettes Städtchen, aßen Erdbeereis zum Frühstück und trafen mittags wieder auf Martin und Kerstin, mit denen im Konvoi wir unseren Weg zur Küste fortsetzten. Wir trafen ein lustiges niederländisches Vater-Tochter-Gespann (ich gehe jedenfalls davon aus, dass es sich um Vater und Tochter handelte), die ihren Jaguar bis oben hin mit Camping-Equipment vollgestopft hatten um zusammen ins Blaue zu fahren, fanden abseits der Hotelhochburgen einen Parkplatz, auf dem wir die folgende Nacht verbrachten und ließen uns endlich wieder einmal Meerluft um die Nasen wehen.
Auf der Fähre hatten Martin und Kerstin zwei Tage zuvor eine Familie aus Offenbach kennengelernt: Tanja, Alex, Rufus (2 Jahre) und Ada (8 Monate). Per SMS verabredeten wir uns mit ihnen ein paar Kilometer weiter auf einem Parkplatz, wieder direkt am Meer, und schlugen für die nächste Nacht dort unser Lager auf. Der Strand war völlig belagert mit Spaniern, die den ersten Mai feierten und auch wir stürzten uns in die Fluten, aalten uns in der Sonne, sammelten Muscheln und ließen es uns gut gehen. Einzig doof waren die Mücken, die zu jeder Tages und Nachtzeit aktiv waren. Ständig mussten wir uns selbst hauen und wurden trotzdem völlig zerstochen. Der einzige, der mit nur zwei Stichen davonkam, war Oli-Boli. Keine Ahnung, wie er das gemacht hat.
Nach einem Einkaufsabstecher in Mezagón, wo gerade ein kleiner Umzug von Frauen in Flamencokleidern, teils auf Pferden reitend, statt fand, bewegten wir uns am nächsten Tag von der Küste aus weiter gen Norden. Da an Pfingsten in dieser Gegend ein großes Treffen der Roma statt findet, begegneten wir auf der Fahrt vielen lustigen Menschen, die in ihren Trachten an Picknicktischen tafelten oder auf Pferdekarren die Straßen entlangfuhren und uns fröhlich zuwinkten. Auf der Karte hatten wir uns einen See als Etappenziel ausgesucht, an den allerdings leider keine Straße heranführten. Da es langsam spät wurde und die Kinder anfingen, Terz zu machen, haben wir letztendlich auf einem kleinen Berg angehalten und dort die nächsten zwei Tage verbracht. Landschaftlich war das zwar nicht gerade ein Highlight, aber mit drei Bussen, Teppichen und Kissen auf dem Boden, Sonnensegeln für den Tag und einer Feuerstelle für die Nacht wurde auch dieser Ort zu einem gemütlichen Zuhause, in dem wir alle zusammen eine schöne Zeit verbracht haben.
Da Richard, Ole und ich aber mit dem anstehenden Neumond Abschied von Martin und Kerstin feiern und langsam aber sicher unsere Heimreise antreten wollten, haben wir uns nach diesen drei Tagen wieder von den Offenbachern verabschiedet und mit unseren beiden Bussen die portugiesische Grenze angesteuert.
Die neu gebaute Straße über die Grenze stellte sich allerdings als eines von zahlreichen Junta-Projekten heraus, die auf riesigen Reklameschildern beworben wird, um schließlich im Sande zu verlaufen, in eben welchem EU-Subventionen in Millionenhöhe versickern. Die Herren von der Junta, der andalusischen Mafia, wie Martin sie nennt, freuen sich unterdessen über die Deals, die sie in Vetternwirtschaftsmanier abgeschlossen haben, ziehen sich auf ihre Fincas zurück und rauchen ihre Havanas. Oder so. Jedenfalls endete die Straße nach Portugal an einem kleinen Grenzfluss, über den dann leider keine Brücke führte. Das machte aber nichts, denn der Fluss war wirklich wunderhübsch. Wir parkten nahe des Ufers und hatten großen Spaß, von Spanien nach Portugal und wieder nach Spanien und nochmal nach Portugal und dann wieder nach Spanien zu waten. Die Frösche quakten wieder mal die halbe Nacht lang, der Sternenhimmel war klar und weit und am nächsten Tag, den 05.05.08, fuhren wir dann schließlich auf anderem Wege nach Portugal rüber, um dort wieder mal auf die Suche nach einem Platz am See zu machen. Was uns wieder nicht gelang, da die Pisten um den See herum mit Zäunen und Toren versehen waren. Und weil es wieder mal höchste Zeit war, Nunus und Milch für Ole zu kochen, blieben wir auf einer schönen bunten Wiese stehen. Nach einer Weile kam der Besitzer des Grundstücks vorbei, ein Bauer, der gerade seine Kühe nach Hause trieb. Der meinte glatt, „warum habt ihr das Tor denn nicht aufgemacht und seid an den See gefahren? Macht das doch morgen mal, da könnt ihr schön stehen.“ Und dass wir wenige hundert Meter von seinem Haus entfernt campierten, war überhaupt kein Problem für ihn. Sehr sympathisch.
Einige Meter von unserem Camp entfernt hat eine Storchenfamilie auf einem Strommast ihr Nest gebaut – eine architektonische Meisterleistung. Überhaupt haben wir in der vergangenen Woche, insbesondere auf den Kirchturmspitzen der Dörfer, echt viele dieser Vögel gesehen. Sind allerdings nicht von ihnen gebissen worden ;) Unsere Begegnung mit Alex, Tanja, Rufus und Ada hat uns gezeigt, dass wir mit einem Kind erst mal genug zu tun haben, da kann das zweite noch eine Weile auf sich warten lassen...
Abends erreichte uns dann eine SMS von Martins Cousin Sebi und seiner Freundin Jana: die beiden sind vor 4 Tagen von Xanten aus gen Süden aufgebrochen und überraschten uns nun mit der Neuigkeit: „Sind 300km nördlich von Sevilla, wo seid ihr?“ Und, nachdem wir unsere Koordinaten durchgegeben hatten, schrieben sie prompt: „Wir sind in 3 Stunden bei Euch“. Und so war das dann auch. Wir feierten also bei einem kleinen Neumondfeuerchen nicht nur Abschied von Martin, Kerstin und Paula, sondern auch das Wiedersehen mit Sebi, Jana und deren Hund Shiva und blieben bis spät in die Nacht bei Sekt und Rotwein draußen sitzen. Eine Gottesanbeterin gesellte sich zu uns, nahm auf meinen Knien und auf Kerstins Hand Platz, bevor sie dann leider in einer Kamikazeaktion ins Feuer flatterte. Puh-hu!
Überhaupt ist das hier wieder mal „Junglecamp“ pur. Nach einem erfrischenden Bad im See klebten kleine Würmchen an unseren Füßen und saugten sich daran fest und gerade eben, wo ich inzwischen wieder in Spanien, nun aber nicht mehr in Andalusien, sondern im Extremadura diese Zeilen tippe, kniff mich plötzlich etwas in einen meiner Zehen. Mit der Taschenlampe leuchtend entdeckte ich einen Tausendfüßler von etwa 15 cm Länge, der sich über unseren Teppich schlängelte und schließlich im Gras verschwand.
Abgesehen von solch ungebetenen Gästen haben wir wieder mal ein schönes Fleckchen zum Übernachten gefunden: Unterhalb der Ortschaft Alange stehen wir wenige Meter von einem weiteren schönen See entfernt. Es gibt Grillplätze und einen netten Spielplatz und eine Dusche, auf die ich mich schon freue...