Dienstag, 15. April 2008

05/11.04.2008 – „Life's like a box of chocolates“ und: welcome to freak valley




































































Vielleicht gibt es Stimmen, die behaupten würden, dass wir bekloppt sind, wenn wir kraxeln, wo wir kraxeln; definitiv gibt es aber welche, die sagen würden, dass wir vollkommen verrückt sind, dass wir rumfahren, wo wir rumfahren. Man sollte als Hintergrundinfo wissen, dass das Land hier vor nur wenigen Jahrzehnten hauptsächlich erschlossen war für den Eselkarrenverkehr. Wir sind also am Montag, den 31.03.2008 von unserem Berghang, auf dem wir schon angefangen hatten, uns heimisch zu fühlen, weiter jene Schotterpiste entlang gefahren, auf der wir vier Tage zuvor links abgebogen und uns auf der Oregano- (oder war es doch Thymian? Lecker, jedenfalls) Wiese abgestellt hatten. Die grüne Minna voran fanden wir uns nach einer Kreuzung vom Hauptweg abgekommen auf einer schmalen Straße wieder, die sich den Berg entlang wand und die anscheinend vornehmlich und wenn überhaupt von Jeeps befahren wurde. Ohne Wendemöglichkeit, versteht sich, beziehungsweise: die erste Möglichkeit ergab sich auf einem kleinen Privatgrundstück, deren Pforten glücklicherweise offen standen und die nur mit einem Schild versehen waren: bitte Tore wieder schließen, wegen der Tiere. Waren aber weder Tiere noch Menschen da, also sind wir, nachdem Kerstin und Richard die weiteren Straßenverhältnisse evaluiert und für ausreichend gut gefunden hatten, auf der Piste geblieben und einfach durch das Grundstück durchgefahren. Ich hätte gedacht, nach der nächsten Kurve kommt eine Abzweigung, die uns direkt und easy den Berg runter ins Tal und dann auf den nächsten Berg hinauf führt. Aber ich hatte bis dato ja auch keine Ahnung, was es so mit Straßen in den Bergen auf sich hält. Wie war das: „You know my mom used to tell me: Life's like a box of chocolates. You never know what you're gonna get.“ Statt west- und talwärts ging's nämlich erst mal wieder gen Osten und bergauf. Ich muss zugeben, streckenweise mit vor den Augen zusammengeschlagenen Händen auf dem Beifahrersitz gesessen zu sein und „Uiuiuiuiui!“ gestammelt zu haben: „Uaaah, der Stein da rechts, ajajaj, das Schlagloch links, und der Baum da vorne, passen wir da drunter überhaupt durch?“ Inständig betete ich um eine Asphaltstraße. Aber letztendlich ist der Tatsache, dass solche Aktionen nur im Schritttempo durchzuführen sind, zu verdanken, dass es vermutlich weniger riskant ist, eine solche „Cross-Camping-Tour“ zu veranstalten, als zur Rush-Hour die Aachener Straße zu überqueren. Wir sind jedenfalls nach einer Weile und nachdem wir mit unserem Motorradträger nur einmal noch aufgesetzt hatten (Drempels sind schlimmer), bis auf ein paar Kratzern im Lack heil zurück auf der Hauptstraße und bei einem wunderschönen Wasserfall ausgekommen. Martin hat sich gleich nackig gemacht und geduscht. Ich bin sonst ja keine Frostbeule, aber das wäre mir echt zu kalt gewesen. Wir haben unsere Kanister aufgefüllt und sind nach einer kleinen Rast weiter und mittlerweile doch auf der anderen Seite des Tals angelangt, wieder bergauf gefahren. Im Folgenden gestaltete sich die Weiterfahrt und Schlafplatzsuche dahingehend als schwierig, als dass wir einem altbekannten Phänomen im zwischenmenschlichen Bereich erlegen sind: 5 Menschen, ein Hund, 7 Meinungen. Wir landeten wiederum auf einem Steinkreis direkt an einer Straße, der jedoch diesmal weder zum Korn ausschlagen, noch für religiöse Zwecke, sondern als Hubschrauberlandeplatz gedacht war. Kam aber in jener Nacht keiner an. Die Muddis und Omis aus dem nahe gelegenen Dorf spazierten mit ihren Hündchen an uns vorbei, während Ole seine Autos auf den Pflastersteinen fahren ließ: „Que guapa!“ Weder Junta noch Guardia Civil störten unsere Nachtruhe und so konnten wir am nächsten Morgen kaffeetrinkend die Aussicht auf Berge und Täler genießen, bevor wir uns ganz entspannt auf die Weiterfahrt gemacht haben.
Durch kleine Wäldchen führte unser Weg dann zunächst nach Trévélez, dem höchsten Dorf Spaniens, auf 1xxx Metern. Auf den Bergkuppen, die das Dorf umgeben, lag Schnee, wir sind hingegen in T-Shirts und kurzen Hosen durch die Straßen gelaufen, haben Müll und Altglas entsorgt und unsere Vorräte aufgestockt. Anschließend fanden wir sogar eine Tankstelle, an der wir ohne Probleme und Papierkram eine Butanflasche kaufen konnten. Jetzt müssen wir weder mit Gas knappsen, noch jedesmal zum Kochen ein Feuerchen in unserer „neuen“ Feuerschale machen, die Kerstin in der Laurárer Klosterruine fand. Letzteres ist zwar eine sehr gemütliche Sache, nur ungünstig, wenn's mit Oles Abendmilch mal schnell gehen soll. Von der Hauptstraße in ein weiteres Tal abbiegend, landeten wir in einem sehr schnuckeligen und friedlichen 250-Seelen-Dorf, lustwandelten zwischen den kalkweißen Häuschen – viele mit blühenden Gärten versehen – in den schmalen Gassen, über die sich Olivenbäume neigten und Rosensträucher rankten, ließen Olchen an der Wasserstelle planschen und hielten mit einem alten Mann – so gut das ging – einen kleinen Schnack. Auch die wenigen anderen Dorfbewohner, denen wir begegneten, waren sehr entspannt und am liebsten hätte ich mich spontan selbst zum Essen eingeladen bei einer Frau, die grade auf ihren Balkon trat um eine Zigarette zu rauchen. Vor ihrer Haustür hingen getrocknete Chilischoten und von dahinter kamen schwere Duftschwaden von irgendwas mit Olivenöl und Knoblauch auf die Straße geweht.
Naja, wir sind dann aber doch nicht zum Essen geblieben, haben nur „Hola“ gesagt und sind dann weitergefahren. Schade eigentlich. Ein Stückchen Schotterpiste weiter talwärts, entlang eines wunderschönen Gartens mit Oliven, Mandeln, Orangen, Bohnen, Tomaten, Salat, Erdbeeren und mehr, gelangten wir kurze Zeit später auf ein schönes Plätzchen mit Blick auf das Tal und die gegenüberliegenden Bergwandbuchten. Dieses Wort gibt es laut Rechtschreibüberprüfung von NeoOffice nicht. Macht aber nichts, denn „NeoOffice“ erkennt NeoOffice auch nicht. Und „Bergwandbuchten“ beschreibt das, was vor uns lag, nun mal am Besten. Ein Wanderweg schlängelte sich daran entlang, die Felsen wiesen bizarre Formen auf und das Echo eines Schusses kam gleich 5mal, wie ein Donnerdrummel, zurück. Auf unserer Seite des Tals war die Natur gerade wieder dabei, sich die mühsam angelegten Terrassen zurückzuholen. Wilde Orchideen, Eidechschen, Schmetterlinge, Bienensummen und Heuschreckenzirpen überall. Morgens kam, sehr zu Oles Freude, ein Bauer auf einem Trecker mit Hänger und einer kleinen Raupe darauf, vorbei, stellte seinen Traktor vor unseren Bussen ab, stieg in die Raupe um, bugsierte sie gekonnt vom Hänger auf einen Erdwall auf die Straße und fuhr weiter den Berg runter. Ich habe einen halben Wildschweinschädel gefunden, mal sehn, was ich mit dem Zahn, dem ich dem Ferkel gezogen hab, anstelle. Unsere weiteren Mitbringsel: Ofenrohre für Martin und Kerstin, Winkel für den Dachgepäckträger, den Richard uns früher oder später basteln will, ein paar Zuckerrohrstangen von einem Mann, der ebenfalls morgens in seinem Kastenwagen vorbei kam und am Hang stehend seine Arbeit verrichtet hatte, einen dicken Bund Pfefferminze, die am Bach wuchs und einen Ziegenschädel, den wir noch dekorativ vorne an unserer grünen Minna anbringen wollen.
Weil Donnerstags aber Markt im wenige Kilometer entfernten Orgiva ist, haben wir nach zwei Tagen unser Lager am Hang verlassen und uns zurück in die Zivilisation begeben. „Welcome to freak city“, sagte Kerstin, als wir in der Stadt ankamen, angesichts der Typen, die wir vom Bus aus sahen. Und eben jene Freaks dachten vermutlich, als sie unsere Busse sahen: „Ah, da kommen noch welche“. Ob es sich bei den ganzen Hippies auf den Straßen Orgivas um Marktbesucher aus dem nahegelegenen FreakVillage Beneficio oder um hängengebliebene Besucher des vor kurzem stattgefundenen DragonFestivals handelt, war nicht klar auszumachen. Wir sind jedenfalls sowohl zu spät zum Markt (schade), als auch zu spät zum Festival in Orgiva angekommen. Letzteres, meinten die zwei Münsteraner vom Playazol, die wir prompt vor einer Heladeria wiedergetroffen haben, sei allerdings kein großer Verlust. Drei Tage lang ununterbrochenes BumBumBumBumBum sind ja außerdem seit jeher nicht mein Ding. Trotzdem sind wir nach Geschäftsschluss in Orgiva zur wenige Kilometer entfernten FestivalWiese gefahren, auf der Conny und Maria seit nahezu 2 Wochen etwas weiter ab von Schuss vor einer Felswand in der Nähe einer Staumauer stehen, und haben uns in ihrer direkten Nachbarschaft angesiedelt. Schwer zu schätzen, wie viele Busse hier inzwischen noch stehen, vielleicht 30 oder 40? – das Gelände ist relativ groß und so verläuft sich das. In jedem Fall scheint ungefähr pro Bus mindestens ein Hund mit am Start zu sein – Paula kriegt also mal wieder genug Gelegenheit, Artgenossen kennenzulernen... Und auch wir lernten ein französisches Pärchen kennen, die mit ihren beiden Kindern in einem fetten Truck wohnen und mit denen zusammen Martin und Kerstin einige Monate zuvor bereits unterwegs waren. Auf dem DragonFestival hatten sie einen T-Shirt-Stand gemacht und nun bleiben sie noch eine Weile in netter Gesellschaft hier, bevor im Mai das nächste „Technical“ in Frankreich für sie ansteht. Bei ihrem Stellplatz, weiter vorne auf dem Gelände, herrschte inzwischen ein bisschen Endzeitstimmung, wie das halt so ist nach Festivals, aber an unserem Stellplatz wurde es ziemlich schnell sehr muckelig, besonders, nachdem Richard und Martin ringsum Fackeln für die Nächte aufgestellt hatten.
Samstags haben Richard, Ole und ich noch eine Radtour zurück nach Orgiva gemacht um Pizza essen, Radler trinken und einkaufen zu gehen sowie Richards MacBook im Hinterhof einer schönen kleinen Artesaria sitzend ans Internet anzuschließen und uns mit dem Rest der Welt zu verbinden. Zurück an unserm Lager haben wir eine Matrazenwiese vor den Bussen aufgebaut, und Sterne Zählen hat nicht nur Ole, sondern auch den Rest der Mannschaft in Minutenschnelle ins Traumland katapultiert.
Da wir gehört hatten, dass am nächsten Tag Flohmarkt in Orgiva (vielleicht aber auch in einem anderen Städtchen in der Nähe) sein sollte, haben wir Zottels uns sonntags wieder auf die Räder geschwungen und uns am Flüsschen entlang auf den Weg in die Stadt gemacht, bis wir vor den Toren einer Orangenplantage auf Kerstin trafen. Die hatte sich schon vor uns zu Fuß auf den Weg gemacht und befand sich bereits wieder auf dem Rückweg. Flohmarkt war nicht, dafür wartete sie nun darauf, dass die laut kläffenden Hunde des Plantagenbesitzers jenen aus seiner Hütte rufen würden, denn unter den Bäumen lagen tonnenweise Orangen, die bald aufgehoben werden mussten, wenn sie nicht verfaulen sollten. Nach einer Weile kam der Besitzer dann auch raus, in verschwaschenen Jimmy Hendrix-T-Shirt, mit Dreitagebart im Gesicht und Kippenstummel im Mund. „Nadaaaa“, nuschelte er, als wir uns, nur wenige Minuten später und um einige Kilos Orangen reicher, bei ihm bedankten und wieder den etwa 30minütigen Heimweg antraten, auf dem wir natürlich schon bald eine ausgiebige Pause zwecks Orangenessens einlegten. Abends kamen uns die Franzosen zum Neumondfeuer besuchen und montagsmorgens verabschiedeten sich die Münsteraner. Ihr Stellplatz blieb leer, das Wetter wurde schlechter, Wolken zogen auf und bei mir stellte sich der „Nach-dem-Festival-Blues“ ein, obwohl wir ja überhaupt gar nicht auf dem Dragon waren. Es fing an zu regnen, die Jungs mussten ihre Ofenbauaktion unterbrechen (Martin hat sein lange anstehendes Vorhaben, einen Ofen auf Steinen und Matsche zu bauen, erstmals in die Tat umgesetzt – so halb jedenfalls...), und ich habe prompt unsere Altglastonne umfunktioniert: innerhalb kürzester Zeit war diese randvoll mit Regenwasser, was angesichts der Tatsache, dass wir länger schon nicht mehr unsere Wasserkanister aufgefüllt hatten, sehr praktisch war: Händewaschen oder eben mal 'ne Tasse ausspülen: kein Problem und auch der große Spül wird vollautomatisch vorgewaschen. Vielen Dank! Ole findet's auch gut, mit den Armen bis zu den Achselhöhlen in der Tonne zu stecken und nach Herzenslust zu planschen. So muss er zwar dreimal täglich komplett umgezogen werden, aber wir haben ja genug Klamotten für ihn dabei. Dumm nur, dass wir auf den Wetterumschwung insofern nicht vorbereitet waren, als dass wir nicht wirklich viel trockenes Holz für ein gemütliches Feuer im Kamin an Bord gehabt hatten. Für ein kleines Feuerchen hat's aber gereicht und so habe ich mich mal wieder mit einem Buch (diesmal: Erich Fromm: „Die Furcht vor der Freiheit“) im Bus verkrümelt. Allerdings muss ich zugeben, dass 60 Seiten Reformationsgeschichte mir nicht ganz so leicht von der Hand gehen wie 500 Seiten Roman. So musste ich ab und an eine Pause vom Philosoph-in-der-Regentonne-Spielen machen und statt dessen mit Martin, Kerstin und Richard eine Runde futuristisches Ich-packe-meinen-Koffer unter der Plane zwischen den Bussen einlegen...
Mittlerweile ist schon wieder Donnerstag, nein Freitag, 00:59h sogar, wie Richard und ich eben festgestellt haben – wo ist die Zeit geblieben? Wie die Regentropfen beständig auf unser Busdach tropfen, vergeht Tag um Tag um Tag. Der Fluss ist um ein vielfaches breiter geworden, das Wasser jenseits der Staumauer steht bis etwa einen Meter unterhalb ihres Randes. Vor wenigen Tagen noch war der Stausee hingegen praktisch nicht vorhanden. Die Straßen sind vermutlich zu matschig, als dass wir uns jetzt auf die Weiterfahrt machen wollen würden. Martins und Richards Ofen ist fertig, auch wenn wir zwischenzeitlich befürchten mussten, dass er einem kleinen Wasserlauf zum Opfer fallen würde, der sich spontan am Rande „unseres“ Platzes gebildet hatte. Nachdem aber jemand kam und an den Schleusen der Staumauer gedreht hatte, ist dieser Rinnsal wieder verschwunden und morgen wird der Ofen eingeweiht und eingeheizt.
Zum Markt waren wir heute tatsächlich pünktlich, für 10€ haben wir so viel Gemüse gekauft, wie wir in Oles Karre packen konnten... unter anderem: vier Galiamelonen, zusammen für einen Euro, eine Riesentüte Mangold, ebenfalls 1€ und ultra-leckere Avocados für 1,40. Nicht das Stück, natürlich: das Kilo. Orgiva gefällt mir richtig gut, selten habe ich in einer so kleinen Stadt so viele Hippies auf einem Haufen gesehen. Danach noch einen Abstecher zum Wasserholen nach Lanjarón, vermutlich dem Andalusischen Volvic-Äquivalent. Wir füllen sämtliche Behältnisse auf und waschen gleich schon mal unser Gemüse. Mit der Zeit fallen einem, das Busleben betreffend, immer mehr Tricks ein, so wie auch Wasser, Wärme und Strom ganz neue Bedeutung gewinnen. Das kommt ja nämlich nicht eben einfach mal so aus der Leitung. Klar habe ich mir besonders in den vergangenen paar Tagen öfters mal eine heiße Badewanne gewünscht, aber im Großen und Ganzen habe ich mich inzwischen voll und ganz daran gewöhnt, dass unser Haus eben ein kleines bisschen anders ist, als anderer Leute Wohnungen. Von mir aus, habe ich heute nach dem Einkaufen festgestellt, könnte das jetzt erst mal noch lange Zeit so weitergehen. Mit den Lebensmitteln, die wir gerade an Bord haben, könnten wir, wenn's hart auf hart kommen würde, bestimmt einen Monat lang auskommen und mehr als das und frisches Wasser brauchen wir ja nicht – abgesehen von Brennholz oder Sonne. Die wäre auch mal wieder nicht schlecht, jetzt, wo der Sonnenbrand auf meiner Nase abgeklungen ist...

14.04.2008
...und am nächsten Tag hatten wir tatsächlich Sonne, ein bisschen jedenfalls. Der Ofen wurde eingeweiht und Martin hat Brot gebacken, was eine Wohltat war nach all dem Baguette-Fluff, der hier als Brot verkauft wird: eine Scheibe und ich war satt! Und lecker war's dazu, mit Kräutern, die wir ja eigentlich für Oregano gehalten hatten, aber irgendwie isses es das nicht. Wir brauchen dringend mal ein Planzenbestimmungsbuch, das geht nicht an, dass wir Oregano nicht von Thymian oder Rosmarin unterscheiden können... Ich habe leckere Energiebällchen gebastelt, quasi als Prototypen für kommende Festival-Verkaufsaktionen, die wir uns vorgenommen haben. Wir haben außerdem in Orgiva schönes Garn gekauft und damit einige Knüpfversuche gestartet wobei ich zugeben muss, dass ich noch ein bisschen üben muss – aber warum wag ich mich auch gleich an ein relativ kompliziertes Muster ran, statt erst mal die Grundknoten richtig zu lernen... In einem Baum haben wir eine Holzperlenkette gefunden, die wir gut gebrauchen können.
So verging die Zeit am Flussbett wie im Flug und wir mussten uns am Sonntag, den 13.04.2008 fast ein bisschen zur Abreise treten. Wirklich weit weg von Orgiva hat es uns allerdings noch nicht gezogen: Zwischen den das Städtchen umgebenden Bergen gibt es ein wunderschönes Tal, in dem sich vor etlichen Jahren einige Hippies angesiedelt hatten; seitdem wohnen dort – vermutlich mit recht hoher Fluktuation – ein paar Aussteiger in alten Häuschen, die sie sich wieder zurechtgemacht haben, in Tipies, Jurten und in selbstgebastelten Hütten. Würden letztere in einer anderen Umgebung, etwa am Rande einer Stadt, stehen, würde man mit Sicherheit denken: „Wie kann man in so etwas wohl wohnen?“ Hier lautet die Antwort darauf wohl: „Sehr gut sogar.“ Zahlreiche kleine Wasserläufe fließen die Berge hinunter, der Wald liefert Brennholz, die Solarzellen am Hang Strom und die Shitpits sind sauberer als so manches WG-Badezimmer, einschließlich meinem eigenen. In den kleinen Gemüsegärtchen sprießt so allerhand, entlang der Wege wachsen Brombeersträucher und Feigenbäume, es gibt eine Panaderia und einen netten Menschen, der Ziegenkäse macht und verkauft. Auch die meisten anderen Menschen dort, seien es „permanent residents“ oder Reisende, waren größtenteils sehr sympathisch. Gleich auf dem Weg von Orgiva nach Benefio haben wir einen älteren Typen mit Bart und langen Haaren am Straßenrand stehen sehen, der so nett aussah, dass ich gleich gesagt habe: den nehmen wir mit! Dank ihm haben wir auch gleich ins Tal gefunden, denn ausgeschildert ist das nicht. Michèl stellte sich als sehr angenehmer Zeitgenosse raus, freundlich, ruhig und ein bisschen weise – ich hätte noch gerne länger mit ihm auf einer Wiese gesessen und mir Geschichten aus seinem Leben angehört, von denen er zweifelsohne eine Menge zu erzählen hatte. Und überhaupt muss zugeben, mir die Leute dort ganz anders, freakiger oder verdrogisierter vorgestellt zu haben. Tatsächlich kamen sie mir trotz eindeutig hippiesken Schlag, teils „normaler“ vor, als so mancher Stadtmensch. Was wieder mal nur zeigt, dass es, egal, wo man ist auf der Welt, „all Zoorte Minsche“ gibt. Ich habe übrigens dort nicht viel fotografieren wollen (obwohl es mit Sicherheit einige gute Motive gegeben hat) und mich lieber auf den „öffentlichen Bereich“ am Anfang des Tals beschränkt. Wir haben außerdem darauf verzichtet, weiter den Berg rauf vorzudringen, da das Gelände einen eher privaten und intimen Eindruck machte und es für die Leute, die dort wohnen, bestimmt nicht immer toll ist, wenn Freizeit-Hippie-Touristen durch ihre Gärten talpern. Ein bärtiger Normanne war nahezu erzürnt angesichts der wie fast immer freilaufenden Paula, denn allzu oft buddeln und kacken die Hunde von Besuchern oder auch wilde Hunde aus den Bergen in ihre liebevoll und bestimmt im Einklang mit dem Mondkalender angelegten Gemüsebeete.
Dass wir schon am nächsten Tag von Beneficio in Richtung Granada aufgebrochen sind, hatte weniger mit den Menschen oder dem Ort an sich zu tun, als mit der Tatsache, dass der Besucherparkplatz so voll war, dass wir als einziges Parkplätzchen mit einer Stelle vorlieb nehmen mussten, durch die zwei kleine Rinnsale flossen. Das plätscherte schön, Ole schrie begeistert „Battaaaa!“ (=Wasser!) und setzte sich dann erst mal mitten dort rein. Das lassen wir ihn natürlich einmal und auch zweimal machen, aber das geht nicht immer, wenn er vor die Haustür geht, ganz zu schweigen davon, dass wir selbst nicht die Teppiche ausrollen und uns gemütlich breit machen konnten. Dicht an dicht mit anderen Bussen zu stehen ist außerdem auch nicht so ganz unser Ding. Darum sind wir am späten Nachmittag etwa 30 km gen Norden gefahren, wo wir nun auf einem Hügel stehen, auf dem am Wochenende, wie die Reifenspuren vermuten lassen, gerne ein paar Jungs mit ihren „Poppe!“ (=Mopeds) rumheizen. Die Autobahn liegt rechts, die schneebedeckten Berge der Sierra Nevada hinter, und die Stadt vor uns. Ihre Lichter flirren unter einer Dunstglocke. Morgen fahren wir da rein.

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