









Am nächsten Tag haben wir also unseren Weg durch die Sierra Nevada fortgesetzt. Zuvor haben wir noch einen kleinen Abstecher nach Laujar de Andarax gemacht, um Wasser zu holen, ein paar Teile einzukaufen und eine riesige Ruine eines ehemaligen Klosters und einer Kirche zu besichtigen. Es hat großen Spaß gemacht, in den alten Gemäuern rumzuklettern und ich hätte Stunden mit dem Schießen von Fotos verbringen können. Ein bisschen Nervenkitzel war auch mit dabei angesichts der wenigen übrig gebliebenen und sich arg biegenden Dachbalken, aber: no risk, no fun :) Unvorstellbar, dass ein solcher Ort inmitten eines deutschen Dorfes stehen würde, ohne zumindest verrammelt zu werden. Die Spanier nutzen diese Ruinen, statt sie abzureißen oder zu verbarrikadieren, jedoch lieber anders: da, wo ich glaube, dass der Kirchturm einst gestanden hat, türmt sich nun der Müll und in einem Seitengang der Kirche hat tatsächlich jemand sein schrottreifes Auto abgestellt.
Während Ole sein Nachmittagsschläfchen im Kindersitz gehalten hat, sind wir dann weiter in die Bergwelt vorgedrungen und haben etwa 40 km weiter westlich wieder einmal eine Schotterpiste eingeschlagen, die uns einen Berg hoch zu einer schönen Wiese voll mit Oregano-Sträuchern geführt hat. Mit Aussicht auf ein kleines Dörfchen haben wir dort unser Lager aufgeschlagen und nach dem Abendessen dem Treiben der Wolken zugesehen, das wieder einmal äußerst spektakulär war. Zumal Richards Speicherkarte voll mit den Fotos der Klosterruine war, gibt es kein Bildmaterial hierzu, außer einem Bild, das aber direkt zu Beginn der Wolkenshow geschossen wurde und nicht das wiedergibt, was wir im Folgenden gesehen haben. Riesengroße, sehr, sehr hohe Sturmwolken zogen in die Abendsonne und wiesen dabei die skurrilsten Formen sowie sämtliche Schattierungen der himmlischen Farbpalette auf: von weiß und verschiedenen Grau- und Blautönen im Osten zu rot, rosa und orange im Westen. Martin fühlte sich an Bilder von Dalí erinnert, wohingegen ich meinte, wenn man dieses Schauspiel in Malerei oder Fotografie festhalten würde, kämen dabei vermutlich äußerst kitschige Bilder heraus, wie sie gerne in Pamphleten der Zeugen Jehovas benutzt werden – aber kann Natur denn kitschig sein? Ich glaube, nicht.
Der nächste Tag bescherte uns strahlenden Sonnenschein. Nach dem Frühstück haben wir Musik aufgelegt und erst mal eine Runde jongliert und Poi gespielt. An dieser Stelle grüße ich Anika, Hendrik und Judith: ich freu mich ja schon so sehr auf die „3x30-die-zweite“!
Nachmittags wurden die Wanderschuhe geschnürt und Ole samt seiner Mundharmonika in den Rucksack gepackt, worauf wir querfeldein auf den Hausberg gewandert sind. Plötzlich vernahmen wir lautes Getöse: was sich wie ein großer, reißender Wildbach anhörte, war tatsächlich nur ein netter kleiner Rinnsal, der zur Rast und zu einem Fußbad einlud. Wieder auf dem Weg, konnten wir unter uns unsere Busse auf Streichholzschachtelgröße geschrumpft erkennen und es fiel uns glatt nicht mehr der richtige Zauberspruch ein, um sie zur passenden Größe zurück zu verwandeln. Glücklicherweise löste sich das Problem von ganz alleine, als wir den Berg wieder runter stiefelten. Abends haben wir noch lange bei einem kleinen Feuerchen draußen gesessen und auf die Lichter der im Tal gelegenen Ortschaft geschaut, in die Kerstin, Paula – der Hund – und ich am nächsten Morgen aufgebrochen sind, um frisches Brot zu kaufen.
So haben sich am 29.03. unsere Lager gespalten und wir haben einen Frauen- bzw. Männertag eingelegt. Mehr oder weniger auf direktem Wege sind wir Mädels also gegen halb 12 ins Tal hinabgestiegen um zu shoppen – querfeldein, beziehungsweise querbergrunter versteht sich. Besonders die letzten paar hundert Meter erwiesen sich als relativ knifflig und ab und zu kam die Poporutsche zum Einsatz. Die Metamorphose der Ela M. aus B. in eine Bergziege ging weiter. Hätte ich mir selber wieder einmal zeitreisenderweise vor noch wenigen Wochen ein Foto dieser Felsen gezeigt und gesagt: da wirst du bald runterkraxeln, hätte ich mir selber einen Vogel gezeigt. Das Schöne am Reisen ist auch, dass man nicht nur andere Länder und Landschaften, sondern auch sich selbst neu kennen lernt...
Mit Brot, Orangenmarmelade und anderen Leckereien bepackt, wollten wir dann eigentlich ganz easy und zivilisiert auf einem kleinen Schotterweg zurück zu unseren Bussen gehen. Am Rande des Dörfchens (Mecina Bombarón) lachte uns aber ein kleiner Wanderweg an, den wir statt dessen einschlugen. Längst einem kleinen Wasserlauf, schraubte sich dieser einen Berg hoch – nicht ganz ohne Tücken, denn der Weg war zum Teil nur etwa zwei Fußbreiten schmal und stellenweise matschig, aber im großen und ganzen ganz bequem begehbar. Mit Blick auf das Tal, in dem unter anderem ein großer Kirschbaum blühte, steigen wir immer weiter den Berg hinauf, dessen Gipfel sich in einige Wolken hüllte. Es donnerte ein paar Mal und ein anderes Wandererpärchen, das uns auf ihrem Weg hinunter ins Dorf entgegen kam, warnte uns vor dem Regen, der vielleicht bald einsetzen würde. Aber was sollten wir tun: wir mussten schließlich dort hinauf...
Nach einigen weiteren hundert Metern hörte der Wanderweg dann plötzlich auf , wir überquerten den kleinen Bach und kraxelten wieder einmal nur den Trampelpfaden von Wildschweinen und anderem Berggetier folgend weiter nach oben. Oft ging das nur auf allen Vieren und wieder einmal war ich froh, Kerstin dabei zu haben, um in ihre Spuren treten zu können. Szenen aus „Notruf“ kamen mir in den Sinn: zwei Wanderinnen in den Bergen. Dramatische Aufnahmen von Felsen. Nahaufnahme der Wanderschuhe einer der Frauen. Unter einem der Schuhe löst sich ein Stein und kullert einige Meter tief hinunter. Sie blickt dem Stein hinterher, ihr Blick verrät einen Anflug von Panik, aber sie klettert weiter. Die Spannungsmusik setzt ein: erneute Nahaufnahme ihrer Füße. Dann rutscht sie ab... „Dank jetzt nicht an Hans Meiser“, dachte ich im Folgenden. „Denk lieber an ein kühles Blondes“ und: „Ich habe ein Kind zur Welt gebracht, dann werd' ich wohl auch diesen Berg hoch kommen...“
Im Übrigen hätte ich mich in meinen Popo beißen können, dass ich Richards Fotoapparat nicht mitgenommen hatte, denn ich hätte so gerne die wunderschöne Aussicht auf das unter uns liegende Tal und die uns umgebenden Berge mit Euch geteilt. Auch wenn letztere recht kultiviert zu sein scheinen – wir blickten auf bepflanzte Terrassen und hörten Ziegenglocken und die Stimmen der Hirten – kommen wohl nicht allzu viele Menschen auf die Idee, rumzukraxeln, wo wir rumkraxelten. Einen Augenblick auf einem Felsen verschnaufend, erblickten wir eine wilde Bergziege, die uns genauso erstaunt anblickte, wie wir sie. „Das sind also Menschen“, dachte sie vermutlich, „von denen hab ich ja schon einiges gehört, aber gesehen hab ich hier noch nie welche.“
Nach einer kleinen Kletterpartie, bei der sogar Paula – mehr Ziege als Hündin – nicht so recht weiter wusste, wurde der Berg dann weniger felsig und war dann wieder mit den mittlerweile vertrauten Oreganosträuchern bewachsen. Kerstin meinte, „Wenn wir jetzt abschmieren, riskieren wir nur noch ein paar blaue Flecken.“ „Was hätten wir denn vorhin riskiert?“ - „Was meinst Du?“ - „Hab keine Lust, mir das vorzustellen...“ Und überhaupt: „The only thing we have to fear is fear itself...“
Einige Bäume kamen in Sicht und wir dachten, jeden Moment den Gipfel des Berges erklommen zu haben – bis wir einige Meter weiter bemerkten, dass es immer noch bergauf ging. Die Wolken hatten sich mittlerweile verzogen, die Sonne kam wieder zum Vorschein und ich ordentlich ins Schwitzen. Mit rotem Kopf kamen wir schließlich wieder an jenem kleinen Bach an, an dem wir tags zuvor unsere Rast gehalten hatten und stellten damit fest, dass wir etliche Meter zu hoch gekrabbelt waren. Der Rest des Wegs zurück zu den Bussen (an denen wir um halb 7 abends ankamen) war damit nur noch ein kleiner Spaziergang, nachdem ich mich allerdings ziemlich fertig mit der Welt im Bus verkrümelte und versucht habe, zu pennen. Habe allerdings noch im Halbschlaf lange das Gefühl gehabt, von Felsen zu Felsen zu klettern. Und so froh ich war, bis auf einige Kratzer und Piekser unversehrt am Bus angelangt zu sein, würde ich heute am Liebsten gleich wieder zurück ins Bergziegentrainigscamp. Eine Songzeile von Billy Bragg will mir nicht aus dem Kopf: „It's like one of these rides at the fun fair, the sort where you wanna get off because it's scary, and as soon as you're off, you wanna get straight back on it again...“
P.S.: Für alle Ole-Fans: Der kleine Krabbler lernt nun auch endlich mal laufen. Und täglich kommen neue Wörter zu seinem Wortschatz hinzu: „Mann“, „Dorf“, „Bein“, „Arm“, „Ohr“, nicht zu vergessen: „(grüne) Minna“ und „(blauer) Bär“.
3 Kommentare:
Yeah Ela, mit Fotos jetzt! So macht das ganze nochmehr Spass. Vor allem wenn ich zwischendurch zu faul zum lesen bin.
Eeeeeeelaken!
Fein indirekt von Dir zu lesen, wir müssen immer noch diskutieren ob wir die Welt nun retten wollen oder nicht. Ich flieg hier auch immer noch unterm Radar, aber schön einen "Blip" von Euch zu sehen. All yours,
Ü.
fotos kommen, leider meistens ein bisschen mit verspätung, weil das zwei getrennte arbeitsschritte und wir unsererseits oft abends zu faul sind um fotos zu konvertieren usw. aber wir bemühen uns!
Gibt's denn die Pirateria wirklich noch? Was geht ab in good old cologne?
Üweken, ich freu mich schon sehr darauf, mit Dir bei einigen Flaschen Wein weiter über die Rettung der Welt zu diskutieren :)
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