

Wir waren also knappe 24h in Granada und können von uns behaupten, fast die ganze Stadt gesehen zu haben – von oben allerdings.

Knapp unterhalb der Alhambra haben wir unsere Busse auf einer Straßeneinbuchtung mit Aussichtspunkt anbei abgestellt. Während Martin und Kerstin die Alhambra in Angriff nahmen, spazierten wir Zottels in die Altstadt hinunter. Ganz nett, ganz sympathisch, und mit Sicherheit ist Granada eine Stadt, die einen längeren Besuch wert ist, vorzugsweise mit Unterbringung über den Hospitality Club oder in einer kleinen Pension. Mit bewohnbarem Fahruntersatz allerdings ist das ein bisschen schwieriger. Und so wusste keiner von uns so genau, was wir, einmal in Granada angekommen, dort so wirklich sollten und beschlossen, gleich am nächsten Tag wieder in die Countryside abzutauchen. Bevor wir die Stadt verließen, nahmen wir aber zunächst einen Abstecher in ihre Gewerbe- und Industriegebiete vor: Martin und Kerstin hatten von einem Schrottplatz gehört, auf dem man noch ein paar Euros für alte Autobatterien bekommen sollte, derer sie zwei an Bord haben. Außerdem gibt es dort einen Güterumschlagplatz, an dem täglich etliche Kilos Gemüse als „Abfall“ anfallen. Unglücklicherweise wollten die beim Schrottplatz entweder über hundert oder gar keine Autobatterien von uns. Und für die Gemüse-Abstaub-Aktion waren wir mindestens eine Stunde zu spät dran. Außer einigen Litern Diesel, die wir also umsonst verfahren haben, kam unterm Strich für uns zumindest das Wissen raus, beim nächsten Mal vor 10h dort zu sein. Und den Weg kennen wir ja jetzt auch... oder? (Nicht, dass ich mir das gemerkt habe, aber irgendwer von uns hat das doch – richtig?)
Als nächstes Etappenziel steuerten wir zunächst den Embalse Soundso an. Aber da der Himmel recht wolkenbehangen und das Seeufer nicht allzu heimelig aussah, sind wir gleich weiter gefahren: von der Alhambra in Granada nach Alhama de Granada. Selbiges ist, so unser Reiseführer, „die Stadt der heißen Quellen“ und da zog es uns angesichts nicht mehr ganz so rosiger Temperaturen hin. Kurz vor der Stadtgrenze folgten wir dem Schild „Los Baños“ und wanden unsere Busse entlang Felswänden zur Linken und einem Flusstal zur Rechten den Berg hinauf. An einer Wegkreuzung ging dann rechts scheinbar ein Privatgrundstück ab, mit einem Torbogen und allerhand Verbotsschildern versehen, links ging's weiter einen Feldweg hinauf, an dessen Rand wir wenige Meter weiter bergaufwärts parkten.

Mit ihren grün bewachsenen Feldern auf netten kleinen Hügeln war die Landschaft dort nahezu stereotyp irisch.



Mit etlichen Regentagen, die folgen sollten, das Wetter allerdings auch. Aber ich mag das. Genau richtig, um mit ner Pulle Sekt extreme Abflexing in the Hot Pool zu betreiben, das ist seit jeher eine meiner allerliebsten Disziplinen, die beherrsche ich wie sonst nur wenige Mitstreiter. Auch wenn Ole, Richard, Martin und Kerstin sich als würdige Konkurrenten erwiesen. Die heiße Quelle befand sich im Übrigen hinter dem oben erwähntem Torbogen, in nächster Nähe zu einem Hotel, das elitär zu sein versuchte, was ihm angesichts der Plastikstühle mit Schöller-Eis-Aufdruck und des dazu gehörigen Eiscreme-Verkaufsautomaten auf der Terrasse nicht ganz gelang. Wir sind da gleich mal zu Rezeption reingestiefelt und haben gefragt, wie das denn sei, mit dem Baden hier. Der Mann am Tresen gab uns daraufhin ne Preisliste in die Hand und umkringelte einen Betrag von 23,36€. Pro Person pro halbe Stunde. Ich habe nicht ganz verstanden, wofür genau wir das hätten bezahlen sollen, die wirklich für uns relevante Information gab der nette Mann uns aber im Anschluss und gratis dazu: die Quellen da draußen sind öffentlich. Na also. Ungeachtet des Mülls, den vor uns dort badende Menschen leider dort hinterlassen hatten(Wachstropfen auf den Steinen ließen vermuten, dass insbesondere abends dort die Luzie abgeht), saßen Richard, Ole und ich keine 10 Minuten später mit einigen anderen Opis da drin, während Martin und Kerstin noch auf Kraxeltour im Flusstal waren und nach abgelegeneren heißen Quellen suchten. Diese aber nicht fanden. Weshalb sie sich kurze Zeit später zu uns gesellten. Stunden später im Anbruch der Dämmerung dann noch ein Lager- und zwei Kaminfeuerchen bei den Bussen und die Welt ist in Ordnung. Und nirgendwo hört sich Regen so gemütlich an wie unterm Busdach in warme Decke gekuschelt, finde ich. „Home is where we park our cars.“
Was die genaue Parkplatzsuche angeht, müssen Richard und ich allerdings noch ein kleines bisschen üben, haben wir festgestellt. Sonst verwandelt sich unser zu Hause bei irischen Wetterverhältnissen schnell zu einer Matschburg. Die sich zudem noch im Schlamm festzufahren droht. Aber von vorne: Nachdem es zwei Nächte lang kräftig geregnet hatte und – oh Wunder! - in dem direkt neben unserem Stellplatz liegenden scheinbar eingetrockneten Bachbettchen wieder ein Flüsschen floss, hatte sich der Boden unter unserem Lager in eine unsäglich klebrige und schwere Masse verwandelt. Ich trat also am zweiten Morgen vor die Tür und hatte sofort um mehrere Zentimeter dickere Sohlen unter den Füßen als sonst, die nicht nur etliche Kilos mehr wogen, sondern dazu auch noch volle Kanne rutschig waren. Stiefelte zur Kochstation, beschloss, den Kocher und die Gasflasche reinzuholen und drinnen Tee (Richard), Milch (Ole) und vor allem Kaffee zu kochen, weils draußen zu windig war. Und eierte dann auf meinen 5cm-Matsch-Plateau-Absätzen mit 15kg-Gasflasche in der rechten und Kocherköfferchen in der linken Hand wieder zurück zum Bus. Noch heute höre ich Bruce Dernell in meinem inneren Ohr, wie er mir sagt: „Die Gaskocher muss lebendig sein.“
Da wir an jenem Donnerstag weiterfahren wollten, haben die Jungs erst mal unsere Reifen mit Steinen und Bambusrohren, die da glücklicherweise rumlagen, umlegt.

Dann mit Schwung und ein bisschen Anschieben da drauf und aufs Trockene rüber. So haben wir uns nicht festgefahren, sondern statt dessen unseren Weg nach Alhama fortgesetzt und dort die Stadt und vor allem den unter der Stadt gelegenen Canyon erkundet.


Hier haben die Frauen laut Infotafel bis in die 80er Jahre ihre Wäsche in aus Stein gehauenen Becken mit Wasser vom Fluss gewaschen. Heute leiten sie dann lieber direkt von ihren Häusern aus ihr Abwasser in den Fluss – zumindest riecht es stellenweise so. Überhaupt erzählte uns ein lustiges kanadisch-portugiesisches Pärchen, die wir bei der Quelle getroffen hatten, dass sich die Landschaft in den zwei Jahrzehnten mülltechnisch sehr zum Schlechten verändert hätte. Nach wie vor kann ich die spanische Handhabe in Punkto Müll nicht nachvollziehen...
Zurück im Städtchen haben wir dann kurz eingekauft und später wenige Kilometer weiter im Wald und an einem kleinen See für die nächsten paar Tage campiert.

Es war dort dank Laub und Ästen auf dem Boden nicht matschig, auch wenn der See im Laufe der Zeit ein beträchtliches Stück näher rückte.

Es gab einen Tisch, über den eine Plane gespannt und auf dem im Folgenden gekocht wurde. Ich entdeckte meine völlig in Vergessenheit geratene Freude am Holzhacken wieder, holte mir glatt Blasen an und Muskelkater in den Händen dabei und ignorierte vor lauter Enthusiasmus den Hagel, der inzwischen eingesetzt hatte. Thymian wuchs entlang des Ufers. Enten schnatterten. Pilzsuchende Opas kamen vorbei und erzählten uns Dinge, die wir leider nicht verstehen konnten. Die Feuer brannten in den Bussen und Gemüsebrühe dampfte in unseren Tassen. Es war wirklich gemütlich, bei Regen im Wald. Es gab auch kaum Ohrenkneifer. Nur Ameisen. Aber die sind ja quasi überall. Zu Ohrenkneifern wollte ich noch erzählen, dass mir an ihnen immer wieder bewusst wird, dass ich in diesem Leben wohl kein Buddhist werden werde. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das, was da in meiner Kaffeetasse schwimmt, vielleicht eine Reinkarnation meines Opas ist. Und die Viecher ersaufen gerne in Kaffeetassen, was einem das Vergnügen, den letzten dicken Blopp süßen Milchschaum mit Kaffeeschlieren in den Mund plumpsen zu lassen, gänzlich raubt... Aber das nur am Rande.
Nach einigen recht ereignislosen Tagen (waren es zwei? Oder drei? Immer wenn es regnet, fehlen mir nachher bei meiner Rekonstruktion ein paar) sind wir dann von unserem Waldlager wieder aufgebrochen, ohne eine genaue Ahnung zu haben, wohin genau wir fahren wollten. Grob in Richtung Westen jedenfalls. Die Landschaft war ziemlich stark kultiviert, wir suchten weitere heiße Quellen in „Banos de Vilo“, aber da gab es laut Dorfbevölkerung nur kalte. Es regnete unentwegt, wir hatten gar keine Lust, aus unseren Karren auszusteigen, die Feldwege, die von der Straße abgingen, schienen allesamt direkte Zufahrten zu kleinen Plantagenhäusern und damit ungeeignet zum Wegelagern zu sein und wir fanden uns in der Dämmerung direkt auf die mächtigen Felswände des Torcal-Gebirges zusteuern, deren Spitzen in dicken Wolken verschwanden. Am Fuße dieser Felswände haben wir dann an einen Picknickplatz gehalten und dort die Nacht verbracht. Für einen Notstop ein spektakuläres Plätzchen.



Überall wächst hier wilder Fenchel, nebst zahlreichen Distel-, Kakteen- und Orchideenarten. Die Glocken einer Ziegenherde klangen vom Berg hinunter, der Wind pfiff uns um die Ohren und in unser Ofenrohr, der Regen tropfte daran herunter, Richard qualmte beim Versuch, den Kamin zu entzünden, die ganze Bude voll, Ole und ich mussten bei Martin und Kerstin Asyl suchen und Richard noch einmal umparken, bis unser Feuerchen in Gang kam und auch in unserem Bus einem gemütlichen Restabend nichts mehr im Wege stand. Es blitzte und donnerte um uns herum, aber schließlich hörte es auf zu regnen. Der Vollmond kam hinter den Wolken zum Vorschein und am nächsten Tag konnten wir unsere Tour endlich mal wieder bei Sonnenschein fortsetzen.

Unser weiterer Weg führte uns dann in ein seenreiches Berggebiet und zunächst in das kleine Dörfchen El Chorro, hinter dem riesige Felsen einen Anblick zum Niederknien bieten.


Ach, könnte ich besser klettern, hätte Equipment und jemanden dabei, der einen Vorstieg machen kann... Vielleicht sollte ich zu Hause noch einige Trainingseinheiten in der Kletterhalle absolvieren, bevor wir das nächste Mal dort hin fahren... Fest steht jedenfalls, dass diese Ecke Andalusiens Orte aufweist, die ich immer wieder aufsuchen möchte. Von El Chorro aus sind wir auf der Suche nach Höhlen, die in unserer Karte eingezeichnet waren, weiter die Berge hoch gefahren, bis wir an einem Stausee angelangten, unsere Busse parkten und die Felslandschaft zu Fuß erkundeten. Irgendwelche Ruinen sollten dort sein, wussten wir dank des „Plano de situación“, der in El Chorro aushing. Und während ich so von Felsbrocken zu Felsbrocken hüpfte, wurde mir schlagartig bewusst, dass es sich bei eben jenen Felsen um nichts anderes als um die Ruinen längst der Zeit zum Opfer gefallener Häuser handelte, die in die Felsen hineingezimmert worden waren. Faszinierend zu sehen, wie fließend die Übergänge zwischen natürlichen Strukturen und menschgemachten Bauwerken dort sind. Ich hätte noch stundenlang auf archäologische Entdeckungsreise gehen können, aber der Tag neigte sich langsam aber sicher seinem Ende entgegen: Zeit, ein geeignetes Plätzchen zum Wohnen zu finden. Glücklicherweise mussten wir nicht lange suchen: nur wenige hundert Meter entfernt, am Fuße der Stauseemauern, tat sich am Rande eines duftenden Kiefernwäldchens eine kleine Wiese mit Blick auf den grün bewachsenen Nachbarberg auf.



Bis in die Nacht hinein hörten wir das Blöken und Mähen von Ziegen und Schafen aus dem Tal unter uns, der Wind rauschte in den Kieferzweigen, die unser Busdach kitzelten und in dieser nächtlichen Geräuschkulisse wurde mir klar, dass dies die Geräusche sind, die seit vermutlich hunderten von Jahren und mehr in diesem Tal vorherrschend sind: Schafe, Ziegen und der Wind.


Am nächsten Tag habe ich dann meine Streifzüge durch die prähistorische Vergangenheit Andalusiens im Alleingang fortgesetzt, bin Felsen rauf und wieder runter gestiegen und habe versucht, mir ein möglichst umfassendes Bild der recht unübersichtlichen Höhlenlandschaft zu machen. Leider habe ich keine weiteren Hintergrundinformationen über dieses Gebiet, etwa wie viele Höhlen es insgesamt gibt und wie viele Menschen dort in welchem Zeitraum gewohnt haben. Werde bei nächster Gelegenheit mal danach googeln.
Um den Berghang von unten überblicken zu können, habe ich auf einem Steinkreis tiefer im Tal pausiert. Mich überkam endlich mal wieder Lust, Yoga zu machen. Insbesondere habe ich lange in meiner Lieblingsasana (=Yogaposition), der Totenstellung (ausgestreckt liegen in Rückenlage), verharrt. Die beherrsche ich ziemlich gut. Von dort aus bin ich dann wieder in eine von zwei Lieblingshöhlen raufgeklettert. Deren Felswände sind schwammartig löchrig, ganz anders als die der anderen Höhlen. Sie schreien gradezu danach, Teelichter in den vielen Löchlein brennen zu haben. Habe mir glatt überlegt, die nächsten sieben Jahre dort einzuziehen, mich von Löwenzahn zu ernähren und über Gänseblümchen zu meditieren („Ich bin ein Gänseblümchen im Sonnenschein...“).


Zurück am Lager berichteten Martin und Kerstin von ihrer Tagestour in die nähere Umgebung. Sie hatten eine weitere Höhlenlandschaft und in einer dieser riesigen, kathedralenartigen Höhlen tatsächlich einen ziemlich großen Lehmofen gefunden.


Darum planten sie für die nächste Nacht, dort Feuer zu machen, Pizza zu backen und zu schlafen. Wir sind also am nächsten Nachmittag mit unseren Bussen ein Stück weit den Berg runter gefahren, haben geparkt und sind dann nach wenigen Minuten Wanderung bei dieser Höhle angekommen, wo Kerstin sich gleich ans Großreinemachen und Martin ans Holz hacken begab.


Bis auf die Tatsache, dass diese Höhlen in der Einflugschneise des Malagaer Flughafens liegen, kann man hier richtig gut Steinzeitmensch spielen.

Allerdings stellte ich in den letzten Tagen und Wochen fest, dass es Ole abends nach Hause in die grüne Minna zieht. Bei all den vielen Eindrücken, die der kleine Mann täglich mitbekommt, hielt ich es darum für keine allzu gute Idee, unser Nachtlager in der Höhle aufzuschlagen. Nicht, dass ich das nicht auch gewollt hätte, es ist wirklich toll dort oben. Aber wir verschieben das lieber auf eine Zeit, in der Ole, wenn gefragt, ob er dort schlafen will, mit leuchtenden Augen „Jibbiejibbieyeah!“ antwortet und bereitwillig seinen eigenen Schlafsack dort hinauf tragen kann, statt den Weg auf Mamas Arm zurückzulegen.
Unsere Lager haben sich also getrennt und wir Zottels sind in die nächstgrößere Ortschaft, nach Ardales, gefahren.

Auf dem Weg dorthin bot sich uns mal wieder ein völlig anderer Anblick als Minuten zuvor in der Höhlenwelt. Die Landschaft ist hier wirklich unglaublich abwechslungsreich: die grauen, schroffen und kargen Felswände hinter El Chorro einerseits, die grünbewachsenen Täler und Berge andererseits, die bizarren Höhlenlandschaften und dann: von Feldern und Wiesen umsäumt die glatte, türkis-blaue Oberfläche eines wunderschönen Sees. Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich als Fisch Aszendent Krebs umgeben bin von drei gehörnten Bergtieren (Widder, Stier, Steinbock) und dass ich mal wieder eine Weile am Wasser verbringen möchte.

Also haben Richard, Ole und ich unseren Bus am Seeufer abgestellt. Ein Schäfer trieb seine Herde mit lautem Geblöke direkt an uns vorbei zu ihrem Unterstand und Ole hätte sich ihnen fast angeschlossen.

Nachts lauschten wir der Kakophonie für 53 Enten und 76 Frösche in cis-moll und hockten bis spät in der Nacht am Wasser. Leider ist das Ufer ein bisschen müllig; Richard und Ole scouten grade nach einem saubereren Stell- und Badeplatz, und ansonsten nehm ich mir gleich mal unsere Schüppe und nen Müllsack und angel Plastikflaschen aus dem Wasser...



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