Von Mazarrón aus haben wir's gemütlicher angehen lassen. Nur wenige Kilometer entfernt gibt’s einen recht großen Platz direkt am Meer, der von vielen Urlaubern zum wild Campen genutzt wird. Etwa 20 andere WoMos, meist Hymer und andere High-Tech-Schiffe, viele mit deutschen Nummernschildern, stehen dort. Es ist stürmisch und kalt, wir kochen und essen drinnen und gehen früh ins Bett.

Der nächste Tag ist freundlicher, wir bekommen von einem netten Pärchen vom Bodensee, die seit 10 Monaten mit ihrem inzwischen 2jährigen Sohn unterwegs sind, den Tipp, ein Stückchen südwärts die Küste runter nach Bolnuevo zu fahren, wo es einige einsame Buchten abseits des Mainstream-Tourismus gibt.





So blieben wir die nächsten zwei Tage und Nächte dort und gönnen uns eine Auszeit. Das Wetter ist super, es gibt frisch gepressten O-Saft zum Frühstück, tagsüber kommen nur wenige Sonnenanbeter und ein Nacktwanderer vorbei, und nachts haben wir die Bucht für uns allein. Ich komme endlich dazu, ein erstes Bad im Meer zu nehmen, juhu! Und in Bolnuevo selbst, fest in deutscher und englischer Rentnerhand, finden wir einen Campingplatz mit WLAN, von dem aus wir kurz SMS und E-Mails verschicken und unseren Blog hochladen können. In Bolnuevo haben sich übrigens anscheinend 'ne Menge reiselustiger und sonnenhungriger Menschen ihren Altersruhesitz eingerichtet, zumindest war das dem schwarzen Brett beim Campingplatz zu entnehmen, auf dem zu Frauentagen und Bingoabenden geladen wurde. Bob sucht außerdem Leute, die mit ihm einen Computerclub gründen wollen, und Tante Trudi verkauft in Parzelle 432 selbstgehäkelte und -geklöppelte Deckchen. Zudem wurde vor Spionen der englischen Rentenkassen gewarnt, die sich in Pubs und Restaurants einzuschleimen versuchen und dann viele Fragen stellen.
Samstags gings dann weiter nach Agua Amarga, wo wir uns mit unseren Freunden Martin und Kerstin verabredet hatten. Die beiden tingeln nun schon seit Dezember durch Südspanien und haben uns in den vergangenen Monaten immer wieder per SMS und E-Mail aufgefordert, endlich aus den Puschen und zu ihnen nach Andalusien zu kommen. Dank ihrer Botschaften wussten wir auch, dass Spanien „in Mazarrón anfängt“ - zumindest hat der Urlaub für sie damals dort angefangen. Das hat insbesondere mir gedanklich beim Durchhalten auf unserer Ostküsten(tor-)tour geholfen.
Während auf der Wegstrecke um Valencia herum die Straßen von Orangenplantagen gesäumt werden, sind wir nun an unzähligen Plastikplanengewächshäusern mit bergeweise Tomaten darin und davor vorbei gefahren. Wenn man in Deutschland um diese Jahreszeit Tomaten kauft, kommen die höchstwahrscheinlich hier her. Doof daran ist, dass das wenige Wasser, das es hier gibt, auf eben jenen Riesenplantagen genutzt wird, wenn nicht grade ein Golfplatz damit bewässert wird. Wer hier als Kleinbauer Gemüse anpflanzen will, könnte ein Problem haben. Das haben wir vor unserer Reise schon in dem Film „We feed the world“ sehen können.
Doof an den Plastikplanengewächshäusern ist auch, dass der Wind sie recht schnell zu zerfleddern scheint. Darum fliegen hier stellenweise buchstäblich die Fetzen durch die Landschaft. Nun haben wir einiges über die spanische Bauart erfahren. Auf dem Weg zum Strand „El Plomo“, wo wir nun mit Martin und Kerstin zusammen stehen, sind uns viele Ruinen aufgefallen, teilweise noch mit „se vende“ und Telefonnummern auf die zerfallenen Mauern gesprüht. Martin und Kerstin erklärten uns, dass diese Häuser nur aus Naturmaterialien gebaut seien und es somit okay ist, wenn die Natur sie nach einer Weile wieder zurück nimmt, Pflanzen im Schatten ihrer eingefallenen Mauern wachsen und Käfer über die zersprungenen Steinfußböden krabbeln lässt. Der Mensch zieht während dessen weiter und sucht sich einen anderen Ort, um sich dort etwas Neues aufzubauen. Das funktioniert ganz gut mit Stein, Holz und Lehm. Mittlerweile haben sich nur leider die Baumaterialien geändert – nicht aber die Umgangsweise mit deren Überresten. Darum die Plastikfetzen also: die kaputten Gewächshäuser bleiben kaputt und irgendwo sprießen wieder neue wie die Champions aus dem Boden.
Auch die Strände sind teilweise ordentlich zugemüllt – die leeren Coleslaw- und Kartoffelsalatdosen lassen allerdings erahnen, dass das nicht nur auf die Kappe der Spanier mit ihren traditionellen Müllentsorgungsgewohnheiten geht.

Wie auch immer war die Fahrt nach Agua Amarga sehr schön. Immer der Küste lang, die um diese Jahreszeit noch echt grünen Berge hoch und runter. Klar sind hier die meisten Dörfer touristisch ausgelegt, aber die Berge verhindern anscheinend das Entstehen allzu wuchtiger Hotelanlagen, wie wir sie an der Ostküste gesehen haben. Auf halber Strecke zum Strand „El Plomo“ (unserem Treffpunkt) gab's vorher sogar 'ne Trinkwasserzapfstelle. Die Wasserkanister randvoll gefüllt, haben wir unser vorläufiges Ziel dann gegen 18h erreicht. Martin und Kerstin hatten natürlich jede Menge Geschichten zu erzählen, über Hippies in Höhlen, Freaks und die Guardia Civil, über Flüchtlingsboote, Schmugglerbanden, die anderen Menschen hier am Strand und und und. Hier haben sich anscheinend ganz lustige Zeitgenossen am „El Plomo“ eingefunden – ein etwas älterer schwedischer Instrumentenbauer mit seiner Frau, eine grauhaarige holländische Biologin mit ihrem Mann (dank der wir Delfine gesehen haben), und vor allem die tschechische Variante der Kelly-Family (und ich möchte betonen, dass ich hier keinen gehässigen Unterton intendiere – ich komme nur einfach nicht um die Assoziation herum!): 8 strohblonde Kinder im Alter von 2 bis 18 Jahren mit ihrem graubärtigen Vater, die in Tschechien mit anderen Menschen zusammen ein Stück Land bewirtschaften, die Wintermonate aber im sonnigen Andalusien verbringen und zur Aufbesserung ihrer Reisekasse die spanischen Städtchen mit tschechischen Volksweisen beschallen. Wenn die im Gänsemarsch mit Eimern und Schaufeln bewaffnet den Strand lang laufen, um an ihrer Riesensandburg weiter zu bauen, fehlt eigentlich nur, dass sie dabei „Heyho, heyho, wir sind vergnügt und froh“ singen. Wirklich sehr niedlich. Ole hat sich gleich mal dazu gesellt um seine Autos die Burgmauern entlang fahren zu lassen.

Nun sind wir seit drei Tagen am „El Plomo“ und ich habe mich langsam aber sicher voll akklimatisiert. Es gibt hier ein paar Dinge, die zu beachten sind: Wirklich große Feuer zu machen, ist nicht ratsam, hier allerdings wohl noch eher möglich als weiter im Süden, denn es könnte die oben erwähnten Boote, wie auch Hubschrauber und Jeeps der Guardia Civil anziehen. Und da es hier fast nie regnet, sollte man auch nicht einfach in die Büsche gehen, um seine täglichen Geschäfte zu erledigen. Stinkt sonst ganz schnell ganz erbärmlich. Löcher buddeln ist auch nicht drin. Aber wie soll ich sagen: haben wir uns in Argèles-sur-mer über die vielen Liter Wasser geärgert, die die Klospülung rauschend in den Kanälen verschwinden ließ, haben wir nun die „verschwenderischste“ Klospülung der Welt. (Für diejenigen, die Informationen dieser Art nicht weiter detailliert dargelegt haben möchten: überspringt doch einfach den nächsten Abschnitt...)

Hinten am Strand, in etwa 70m Entfernung, liegt ein großer Felsbrocken, sehr gut zum Dahinterhocken, und das reimt sich sogar. Manchmal kriegt man nasse Füße, die Wellen sind in ihrer Reichweite ziemlich unberechenbar. Egal, es ist ja warm... 24°C oder so. Der Fels ist allerdings nur zum Pullern geeignet, man will ja nicht beim Strandspaziergang über Dinge stolpern, die man im Normalfall lieber fein säuberlich entsorgt wissen will (äääh, kann man das so sagen? „entsorgt zu sein wissen will gehabt zu haben“...). Dafür gibt’s dann entweder 7 Minuten strandaufwärts oder 5 strandabwärts ein paar nette Klippen zum Popo drüber stippen. Kein Shit-Pit, sondern eher ein Shit-Dip also... Dorthin muss man allerdings ein bisschen kraxeln. Man stelle sich mich Sportskanone dabei (beim Kraxeln!!) vor. Ich mein, ich komm aus'm Rheinland! Aus Bergheim! Da gibt’s gar keine Berge, keinen einzigen, außer der „Bergstraße“ vielleicht! Für mich ist das Riesengebirge ein riesen Gebirge!Ich war auf jedem Fall froh, bei meiner ersten Exkursion zu den Klippen Kerstin dabei gehabt zu haben, die mir Anweisungen wie „rechten Fuß hier, linken Fuß da, hier festhalten, da hochziehen“ gegeben hat. Am „stillen Örtchen“ angekommen stellte sich dieses als alles andere als „still“ heraus: es gluckst und gurgelt und das Wasser (wohlgemerkt nur das!) spritzt und schäumt... Und vor lauter Adrenalin in meiner Blutbahn waren sämtliche meiner anderen Körperfunktionen anscheinend auf „stand-by“ geschaltet... Aber mittlerweile geht auch das... Gebt mir ein paar Wochen und ich komme als Bergziege wieder.

So verbringen wir die Tage hier mit rumgammeln, kleinen Wanderungen, Planschen, Ole bespaßen, Steintürmchen bauen, Muschel-Triskelen in den Sand legen, kochen, essen, Rotwein trinken (letzteres eher mal abends) und so weiter. Martin schnitzt ein Spielbrett, Kerstin baut eine Trommel aus einem alten Agarvenstamm, die Blümchen, die der karge Boden hervorbringt, blühen und sind wunderhübsch anzusehen, Richard macht tolle Fotos, Ole lässt seine Autos durch Sand- und Steinwüsten rollen und ich könnte Stunden damit zubringen, Sand durch meine Finger rinnen zu lassen, Abends hören wir die Grillen zirpen, und die Wellen rauschen sowieso nonstop in unseren Ohren.

Ich habe mich schon mehrmals dabei ertappt, wie ich wie früher, als ich gerne tagelang im Bett lag und Musik hörte, gedacht habe: nach dem nächsten Song steh ich auf! Und dann fällt mir wieder ein, dass das immer so weiter geht, mit dem Rauschen. Meistens bleib ich dann noch ein bisschen liegen, es sei denn, mir steigt frischer Kaffeeduft in die Nase... In einem poetischen Moment dachte ich außerdem: das ist der Atmen der Erde. Aber jetzt bin ich nicht sicher: ist es der Atmen, der Puls oder der Herzschlag?