Freitag, 7. März 2008

05.03.2008 - Eastcoast-Koller

Den Sonntag haben wir gemütlich angehen lassen, auch wenn wir uns vorgenommen hatten, am selbigen Tag noch über die spanische Grenze rüber zu machen. So sind wir gegen drei in Argèles aufgebrochen, um nur wenige Kilometer entfernt in Collioure (nur die Franzosen verstehen es so gut, möglichst viele Vokale in ein einziges Wort zu packen...) die nächste Rast zu machen. Glücklicherweise hat uns ein anderer Camper den Tipp gegeben (er meinte, wir sollten dort unbedingt Anchovis essen gehen); das ist ein wirklich wunderschönes Städtchen, alt, verwinkelt, bunt und freundlich, mit netten Cafés, Restaurants, von deren Tischen es nur so duftete, mit Weinstuben, Delikatessenläden, Ateliers und Künstlern, die auf den Straßen und Plätzen der Fußgängerzone ihre Bilder zum Kauf anboten. Und hätte ich genug Geld... würde ich dort für eine Weile ein Leben wie Gott in Frankreich fröhnen wollen.
So aber waren wir keine Anchovis essen, keinen Wein trinken und Bilder kaufen sowieso nicht, insbesondere, da wir dringend ein Internetcafé aufsuchen mussten, um unsere Finanzlage überhaupt überblicken zu können. Haben uns statt dessen nach einem Stündchen des Flanierens und Seele wie auch Beine ins Hafenbecken Baumeln lassens wieder in unsere Karre begeben und waren nach einem kleinen Schnack mit den Grenzern in Spanien. Olé. Da wollten wir eigentlich über Nacht unseren Bus und uns in einer kleinen Bucht parken, hätten gleich die erste nehmen sollen – zu spät. Danach war am Wasser nix mehr zu machen, in die kleinen Ortschaften durften wir erst gar nicht rein fahren, und eine Geldstrafe von 150€ wollten wir wirklich nicht riskieren. Also sind wir mal wieder Berge gefahren. Sind ja wirklich schön, die Pyrenäen – aber um einen Schlafplatz zu finden, nicht einfach. Wir haben uns nach einer Weile einfach in einem kleinen Waldstück an der Straße abgestellt und uns vorgenommen, montags morgens recht früh die Weiterfahrt anzutreten.

Bei strahlendem Sonnenschein sind wir also aufgebrochen, um schon nach einem Stündchen Fahrt Mittagspause in Figueres zu machen, immer noch auf der Suche nach einem Internetcafé. Und da wir auf dem Weg dorthin an einer Deutschen Bank vorbeikamen (die gibt’s neben Aldi, Lidl, Plus, Saturn und MediaMarkt hier nämlich zu Hauf), hat Richard mal auf gut Glück seine Karte in den Bankomat gesteckt und tatsächlich so viel rausgekriegt, dass wir uns die nächste Zeit keine Gedanken über Geld mehr machen müssen – hoffe ich jedenfalls. Das Internetcafé hätte genau wie das in Argèles 8€/Stunde gekostet, und da ich sowieso den USB-Stick mit den Fotos für den Blog im Bus vergessen hatte, haben wir uns statt vor'm Rechner zu hocken bei angenehmen 24°C vor das „Hotel de Paris“ unter einen Sonnenschirm gesetzt, die 8€ (und noch ein bisschen mehr) in Tapas investiert und es uns gut gehen lassen.


Mit vollen Bäuchen und Ole im Tortilla-Koma sind wir dann weiter gen Süden gefahren. Leicht bekleidete Mädels saßen am Straßenrand, sonnten sich und warteten wohl darauf, dass ein sympathischer Trucker vorbeikommen und ihnen eine Mitfahrgelegenheit auf den Feldwegen, an deren Rändern sie sich positioniert hatten, anbieten würde, denn mit ihren Stöckelschuhen hätten sie diese unmöglich entlangwandern können. Sehr amüsant. Bis dahin. Aber da wir gedacht hatten, aus unserer Clermont-Ferrand-Erfahrung gelernt zu haben, nahmen wir uns vor, Barcelona zu umfahren. Da wussten wir noch nicht, dass wir uns in den Ruhrpott von Spanien begeben hatten. Die Stimmung kippte, als wir zum dritten Mal durch die Innenstadt von Granollers fuhren – wo bitte, geht’s denn aus der Stadt raus? - Nirgends so wirklich, so schien es. Irgendwann steuerten wir dann dort auf Barcelona zu – das war zumindest immer klar als Richtungsangabe zu erkennen, denn die Straßenschilder hier sind von der Größe her nicht wirklich klar in Ortsnamen oder Richtungsangaben zum Schwimmbad oder Fußballfeld unterscheidbar, vor allem, wenn man so wenig Spanisch kennt, wie ich das tue. Nachdem ich eine Weile meine Aggressionen in zickigen Kommentaren („Ich wollte sowieso nie nach Spanien, ist doch voll Scheiße hier“) entladen habe, haben wir kurz vor Barcelona angehalten und uns erst mal bei McDonald ein Happy-Meal reingepfiffen. Jaja, die Hippies, große Reden schwingen und dann doch Press-Aß essen gehen – ich weiß, ich weiß... Aber danach ging's uns ein bisschen besser und so haben wir entschlossen, Ole mit ordentlich Milch und Bledina (Trinkbrei-Zeugs) abzufüllen und so weit durchzufahren, bis wir die ganze Ecke um Barcelona rum hinter uns gelassen und einen Platz zum Schlafen und Durchatmen gefunden hätten. Zuvor hatte Richard mal einen Feldweg eingeschlagen (hinter Granollers, vor Barcelona), aber das Plätzchen da, auf dem man hätte stehen können, war total zugemüllt – dann lieber Nachtschicht einlegen. Das war eine gute Entscheidung. Ole fand's sowieso gut, der war der einzige von uns dreien, dem der ganze Tag nicht auf's Gemüt geschlagen ist – gab schließlich unzählige Laster, Busse, Krankenwagen, Polizeiautos und und und zu sehen. Und dann auch noch vor'm Fernseher einschlafen dürfen – toll! An unglaulichen Industrielandschaften vorbei haben wir schließlich im Park Regional Natural del Delta de l'Ebre angehalten. Kein Vergleich zu den Parks, die wir aus Frankreich gewöhnt waren, aber neben einem Gärtchen mit Oliven und dem Meer dahinter zu parken, war schon okay. Ich fand, es roch ein bisschen nach totem Fisch, als wir dort ankamen, aber Richard meinte, das stimmte nicht ganz, es röche nach Watt, das sei streng genommen toter Fisch mit Algen. In der Nacht fegte der Mistral über unsere Köpfen hinweg und nahm den Geruch mit sich mit. Dabei schwankte unser Bus so hin und her, dass ich glatt befürchtet habe, wir würden gleich umkippen. Habe mir dann die drei-komma-irgendwas Tonnen, die wir auf die Waage bringen, vor mein inneres Auge gehalten und bin dann doch irgendwann eingepennt. Ole juckte das im Übrigen überhaupt nicht. Man soll ja die Nacht nicht vor dem Morgen loben, aber seitdem wir unterwegs sind, hat er fast immer durchgeschlafen – juhu!


Müde war ich trotzdem, als wir am nächsten Tag weiter sind. Und schlecht gelaunt dazu, denn: Ostküste sucks! Die Landschaft könnte ja echt schön sein, aber was der Mensch daraus gemacht hat, ist erschreckend zu sehen. Die einzigen nett aussehenden Eckchen scheinen so ne Art „Gated Commuities“ zu sein, Ferienhäusschen für die Leute, die mal eben ihre neue Yacht mit 'nem Sondertransport in die Häfen schippern lassen und sich in einer der zahlreichen Privatkliniken, die wir dort gesehen haben, eine neue Nase schustern lassen um sich dann am Privat-Strand von der OP zu erholen. Und während das Inland mit krassen Industrieanlagen bebaut wurde, stehen am Meer unzählige Hotel-Kolosse für das einfache Volk und überfüllte (auch im März!) wie auch teure Campingplätze für Camper wie uns. Habe ich in Frankreich von Massentourismus gesprochen, kommt mir das in der Retrospektive vor, wie ein etwas größeres Schullandheim. Alicante sieht ein bisschen aus wie Frankfurt am Meer, nur vermutlich größer. Dazu die ganzen Supermercados, Baumärkte, Möbelgeschäfte und so weiter in den Gewerbegebieten und die Neubau-Fertighaus-Siedlungen, in denen 20 mal die selben Papp-Machée-Häuser nebeneinander in Reih und Glied stehen und es herrschen nahezu amerikanische Verhältnisse. Wobei es sich wohl quasi um einen Re-Import in Sachen Baustil handelt, zumindest, was die Wohnhäuser (Modelle Finca- oder Hacienda-Style, erhältlich in 3 und 5-Zimmer-Version, in Creme oder Lachsfarben) angeht. Und nachdem wir ordentlich Zeit verloren hatten, weil ich unbedingt mal durch die Innenstadt von Valencia (tatsächlich ganz nett) fahren wollte, was ja auch unserer neuen Strategie in Sachen Städte durchkreuzen („Augen zu und durch!“) entspricht, war der Tag schon wieder an unserer Windschutzscheibe vorbeigeflogen. Allerdings schien es unmöglich, einen ausreichend schönen Schlafplatz zu finden. Was soll ich sagen: Wir haben Ole wieder Milch mit Honig verpasst, uns mit Schokopuddings und mich mit einem leckeren Leffe ausgerüstet und die zweite Nachtschicht eingeläutet, wieder vorbei an jungen Mädels in sehr sehr kurzen Röcken, die in Bonzenautos einstiegen oder sich von braven Familienvätern wieder an einer Straßenecke absetzen ließen. Vorbei an Nachtclubs, Tabledance-Schuppen, dem Titti-Twister, Drogenumschlagplätzen, was weiß ich. Die Menschen auf der Straße kamen mir alle äußerst suspekt vor. Ich überlegte, ob ich nicht lieber unsere Türen abschließen solle, für den Fall, dass, wenn wir an einer Ampel stehen, plötzlich einer unsere Tür aufreißt und...
Naja. Ist nix passiert. Wir leben noch. Kaum zu glauben, dass wir tatsächlich nur 2 Tage die Ostküste lang gefahren sind. Ich hätte gedacht, dass wir in zwei oder drei Tagen in Andalusien aufschlagen – statt dessen sind wir gestern Nacht in Mezarrón angekommen, wo wir uns einfach in einer schönen Wohngegend (kein Papp-Machée!) an einen Straßenrand gestellt und erst mal ausgeschlafen haben.

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